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Steam führt eigenes Ratingsystem für Deutschland ein

Seit dem 1. März spielt Steam in Deutschland nun eigene Alterskennzeichen für Spiele aus, die kein USK-Rating haben. Das System, das basierend auf einem für Brasilien bereits vorhandenen in Zusammenarbeit mit der FSM erarbeitet wurde, stößt bei der USK auf Anklang. Eine Rückkehr von Adult Games in den deutschen Markt bedingt das neue System aber nicht.

Pascal Wagner21.03.2023 09:31
Steam führt eigenes Ratingsystem für Deutschland ein
Seit dem 01. März spielt Steam in Deutschland eigene Alterskennzeichen aus. Valve / Collage: GamesMarkt

Lange kamen Spiele, die auf Steam vertrieben werden, hierzulande größtenteils ohne Alterskennzeichnung aus, doch das ändert sich nun: Seit dem 01. März 2023 spielt Steam eigene Alterskennzeichnungen in Deutschland aus, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Spiele nicht von der USK gewertet sind.

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Die Kennzeichen, die in einer eigenen Schriftart und dem charakteristischen Blauton von Steam-Software wie dem Big Picture Mode gehalten sind, kommen in den in Deutschland üblichen Alterseinstufungen 0, 6, 12, 16 und 18 daher. Bei Spielen, die eine USK-Kennzeichnung besitzen, wird diese jedoch bevorzugt ausgespielt. Zuvor waren Alterskennzeichnungen in Deutschland nur angezeigt worden, wenn ein Spiel eine USK-Wertung durchlaufen hatte.

Grund für die Änderung in Steams Altersprüfung ist eine Gesetzesänderung auf Bundesebene, die 2021 in Kraft trat. Gemäß §14a JuSchG des neuen Jugendschutzgesetzes gilt seitdem eine Kennzeichnungspflicht für Spiele- und Filmplattformen mit über 1 Mio. Nutzer:innen, zu denen auch Steam gehört. Diese Plattformen müssen nun für jedes Medium eine deutlich wahrnehmbare Kennzeichnung in den in Deutschland üblichen Altersstufenschritten angeben. Die gesetzliche Pflicht kann jedoch, anders als gemeinhin angenommen, nicht nur durch eine USK- beziehungsweise FSK-Kennzeichnung erfüllt werden. Ebenfalls möglich ist eine manuelle Klassifizierung der jeweiligen Medien durch eine:n Jugendschutzbeauftragte:n oder eine automatisierte Selbstklassifizierung. Eine solche Automatisierung kann mit der International Age Rating Classification (IARC) verknüpft sein, die je nach Land dann automatisch passende ESRB-, PEGI- oder USK-Wertungen verknüpft, muss dies aber nicht tun. Das System muss lediglich von den einschlägigen Behörden anerkannt sein. Hier setzt Valve an und nutzt ein automatisiertes System, das jedoch individuell für Steam gebaut wurde und neben Selbsteinschätzungen der Entwickler:innen auch manuelle Reviews durch das Content-Team von Steam vorsieht. Ähnlich arbeitet beispielsweise Apple, das für seinen App Store ebenfalls ein individuelles Ratingsystem auf Basis von Fragebögen nutzt, die nicht mit IARC-System in Zusammenhang stehen.

Kaci Aitchison Boyle, Pressesprecherin für den US-Konzern Valve, erklärt das gegenüber GamesMarkt wie folgt: “Das auf Steam verwendete Alterseinstufungssystem basiert nicht auf der IARC, sondern wurde in Zusammenarbeit mit den brasilianischen Aufsichtsbehörden und der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) in Deutschland speziell für Steam entwickelt. Die Bewertung basiert auf einem benutzerdefinierten Fragebogen zur Selbsteinschätzung und der manuellen Überprüfung durch unsere Content-Review-Teams sowie auf dem Feedback unserer Nutzer. Insbesondere der Fragebogen zur Selbstbewertung wurde kürzlich aktualisiert.” Besagter Fragebogen ist von Entwickler:innen auszufüllen, die ihr Spiel auf Steam hochladen, und enthält seit dem 1. März auch die deutschen Kriterien. Die bisherige Version dieses Systems war bereits seit 2020 für den brasilianischen Markt in Benutzung, da dort seit 2019 jedes veröffentlichte Spiel eine Altersklassifikation besitzen muss.

In der Praxis verlangt Steam nun also von allen Studios und Publishern, die ein Spiel via Steam veröffentlichen, das Ausfüllen eines Fragebogens zu möglicherweise für die Alterskennzeichnung relevanten Inhalten wie expliziter Darstellung von Gewalt oder Sexualität, Flüchen und anderen Sachverhalten. Basierend auf den Antworten wird eine Alterskennzeichnung in Brasilien und Deutschland vergeben, Falschangaben oder Missverständnisse sollen über Content-Reviews durch ein spezialisiertes Team oder User-Feedback aufgeräumt werden. Eine Ausnahme bilden in Deutschland Spiele, die bereits über eine USK-Kennzeichnung verfügen: Hier wird vorrangig die strengere USK-Einstufung genutzt.

Ein Sprecher der USK bewertet auf Anfrage von GamesMarkt dieses System durchaus positiv: “Rechtlich gesehen ist es so, dass auf ein vorhandenes Alterskennzeichen der USK, sofern nach dem JuSchG geprüft wurde, auch im Online-Bereich hingewiesen werden muss. Aus unserer Sicht ist diese Art der Umsetzung eine gute Lösung und dient der Transparenz für Nutzer:innen, die somit gut erkennen können, was anbietereigene Kennzeichen sind und welche im Rahmen eines USK-Prüfverfahrens vergeben wurden.” Die Unterschiede in der Alterskennzeichnung sind in der Tat gut erkennbar, da sich die USK-Siegel und die Steam-eigenen Kennzeichnungen deutlich unterscheiden, sowohl farblich und in der Schriftart als auch durch den USK-Schriftzug.

Steam ist in Deutschland nun also einen Schritt näher an einer Alterskennzeichnung für alle Medien. Noch sind nicht alle Spiele auf der Plattform mit den Siegeln versehen, da noch nicht alle Studios für ihre bereits veröffentlichten Spiele die Fragebögen nachgereicht haben. Für Spiele, die vor 2020 auf Steam erschienen sind, ist das Ausfüllen allerdings optional. Alle neuen Titel bringen diese Voraussetzung jedoch nun zumindest mit.

Was heißt das für Titel, die bisher in Deutschland nicht zu bekommen waren, weil sie zum einen möglicherweise jugendgefährdende Inhalte zeigten, zum anderen aber keine Alterskennzeichnung hatten? Konkret geht es dabei vor allem um sogenannte Adult Games, die explizite sexuelle Inhalte darstellen. Beispielsweise sind beträchtliche Teile der auf der jährlichen Hentai Expo ausgestellten Adult Games in Deutschland nicht über den Steam-Shop mit seiner enormen Nutzer:innen-Basis zu erhalten, obwohl sie dort international durchaus angeboten werden und auch von Deutschland aus auf spezialisierten Onlineshops wie DLSite oder kleineren Seiten wie itch.io zu bekommen sind. Stein des Anstoßes für die grundsätzliche Sperrung von Adult Games auf Steam in Deutschland war eine Beschwerde der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein beim Online-Anbieter im Jahr 2020: Die Medienanstalt störte sich daran, dass Steam-User:innen jeden Alters die auf den Shopseiten via Screenshots dargestellten expliziten Handlungen zugreifen konnten, ohne dass Steam eine starke Altersprüfung der User:innen verlangte. Nach Ansicht der Medienanstalt müssten die entsprechenden Titel beispielsweise in einer separaten, altersgesicherten Shop-Unterstruktur separiert sein. Anstatt seine Struktur anzupassen, sperrte Valve stattdessen die entsprechenden Inhalte in Deutschland komplett.

Tatsächlich bedeutet das neue System für diese Spiele noch keine Rückkehr auf den deutschen Steam-Marktplatz. “Die jüngste Aktualisierung der Altersfreigabe auf Steam hat keine Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Inhalten in Deutschland; Inhalte, die nach der Aktualisierung als ungeeignet für den Vertrieb in Deutschland eingestuft werden, wären auch vor der Aktualisierung als solche identifiziert worden” erklärt Aitchison Boyle. Der eigentliche Streitpunkt der für Minderjährige zu einfach erreichbaren Shopseiten bei Adult Games ist durch die automatisierte Einstufung eben noch nicht gelöst. Allerdings könnte sie in Zukunft eine mögliche Basis für Bestrebungen Valves darstellen, auf die Behörden zuzugehen und diesen Teil des eigenen Angebots wieder für Deutschland zu öffnen – es bleibt abzuwarten, ob der immerhin zu den kaufkräftigsten Gamingmärkten gehörende deutsche Absatzmarkt dem US-amerikanischen Software-Unternehmen diese Bemühungen wert ist.

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